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  • AutorenbildJanila Fuchs

Jeden Montagmorgen dasselbe.

Ich rannte die Halle der Paddington Station entlang und schlängelte mich durch die Masse gestresster Menschen, die auf dem Weg zu ihren täglichen Beschäftigungen waren. Endlich kamen die Toiletten in Sichtweite. Wobei ich nicht gerade erpicht darauf war, dieses gar nicht so stille Örtchen aufzusuchen. Zugleich war ich aber zu geizig, auch nur eine Pence-Münze für die kostenpflichtigen Toiletten auszugeben.

Du solltest daraus lernen und keinen Liter Kaffee am Morgen in dich reinkippen, Zade.

Ohne diesen bitteren Wachmacher würde ich es jedoch nicht mal zur zweiten Vorlesung in die Oxford University schaffen. Ich studierte dort im dritten Jahr und pendelte trotzdem noch immer von meinem Elternhaus in London mit dem Zug zur Uni. Ein Umzug war einfach nicht drin. Und der Abschluss in Orientalistik würde mich wahrscheinlich in näherer Zukunft ebenfalls nicht gerade reich machen.

Doch ich liebte es, mich in abendländische Literatur zu vertiefen, was wahrscheinlich der Grund dafür war, dass ich am Montagmorgen nicht aus den Federn kam. Das ganze Wochenende über versank ich in Geschichten und Sagen über den Orient und blendete mein normales Leben einfach aus, weil es mir nicht spannend, nicht aufregend genug war.

Ich öffnete die Toilettentür und sofort schlug mir der Geruch bitterer Realität entgegen. Ich rümpfte die Nase und verzog das Gesicht. Wieso mussten die Kachelstudios von Bahnhöfen bloß immer so versifft sein? Zumindest bestand für mich dann keine Gefahr, zu lange auf der Brille zu verharren und meinen Fantasien nachzuhängen.

Jetzt aber schnell.

Beim Händewaschen stellte ich fest, dass der Seifenspender leer war, und fischte ein Desinfektionsgel aus meiner Handtasche. Mit meiner ausladenden Hüfte drückte ich die Tür auf und landete wieder in der lauten, überfüllten Halle.

Meine Figur hatte, genau wie der Rest meines Aussehens, etwas von einer orientalischen Schönheit und ich wurde regelmäßig gefragt, ob meine Eltern mich adoptiert hätten. Keiner verstand, woher ich den hellbraunen Teint, die seidig-schwarzen Haare und meine schmale Nase hatte. Jedenfalls nicht von meinen Eltern, die sich ganz dem englischen Klischee nach gleich einen Sonnenbrand holten, wenn sie den Versuch wagten, sich zu bräunen. Mums Haut strahlte dann jedes Mal mit dem Rot ihres Haars um die Wette.

Vielleicht war es meine wundersame Andersartigkeit, die mich zu den exotischen Geschichten hinzog. Zu Geschichten aus 1001 Nacht.

Du wirst noch deinen Zug verpassen, Zade.

Ich stöhnte und rempelte auf meinem Weg einen jungen Mann an, der sich zu mir umwandte und mich mit seinem eindringlichen Blick für einen Moment gefangen hielt. Sein Haar reichte ihm bis zum Kinn, war ebenso schwarz wie meines und wellte sich leicht. Einen Wimpernschlag später wandte er sich ab und ging in die entgegengesetzte Richtung weiter. Das Gefühl seines stechenden Blickes blieb.

Ich erreichte den Zug in letzter Sekunde und sobald ich durch die Tür getreten war, schloss sie sich hinter mir. Sofort erfasste ein Kribbeln wie von tausend Ameisen meine Haut und das Bild vor meinen Augen erhielt einen seltsamen Glanz. Die Farben wirkten intensiver, die Luft schien zu flirren.

Einem Impuls folgend drehte ich mich zur Tür, wollte zurück auf den Bahnsteig, doch der Zug hatte sich bereits in Bewegung gesetzt.

»Was ist, meine Schöne?«, hörte ich plötzlich eine tiefe, samtweiche Stimme, die mir über den Nacken strich.

Ich wandte mich um und entdeckte den Mann, den ich in der Halle angerempelt hatte. Wie war das möglich? Er war doch überhaupt nicht in diesen Zug eingestiegen.

Eine innere Gewissheit breitete sich in mir aus. Versicherte mir, dass ich einem Abenteuer gegenüberstand, nach dem ich mein ganzes Leben lang gesucht hatte.


»Setz dich zu mir«, sprach der Mann mich erneut an und ich folgte seiner Aufforderung ohne einen weiteren Gedanken an die Unglaublichkeit dieser Situation zu verschwenden.

Kurz betrachtete ich die tiefdunklen Augen des Mannes und konnte nicht verhindern, mich in ihnen zu verlieren. Voller Staunen fuhr ich mit der Hand über die orange- und magentafarbenen Polster des Sitzes neben mir, sicher, bisher niemals in einem solchen Zugabteil gesessen zu haben.

»Deine Haut ist genauso golden, dein Haar ebenso seidig wie alle es sagen und deine Augen …« Er fuhr mit einem Finger hauchzart über meinen Wangenknochen und zeichnete dann die Linie meines Kinns nach. »Sie sind noch tausend Mal schöner.«

Ich benetzte meine Lippen und schluckte. War mir dabei nur allzu bewusst, wie nah er ihnen in diesem Moment kam. Wohlige Gänsehaut breitete sich in meinem Nacken aus und sammelte sich als warmes, kribbelndes Gefühl in meiner Magengegend.

»Wer bist du?«, fragte ich den Fremden und war überrascht angesichts der Klarheit meiner Stimme. Viel eher hatte ich damit gerechnet, dass sie mich im Stich lassen würde.

Dem Mann entfuhr ein tiefes Lachen, das ich wie eine Vibration der Luft regelrecht spürte. »Das ist nicht von Belang«, antwortete er mir. »Vielmehr würde mich die Geschichte interessieren, die du mir zu erzählen hast.«

Eine Geschichte? Dass die ganze Situation mehr als nur seltsam verlief, wusste ich bereits. Aber nun kam ich überhaupt nicht mehr mit. Mein Blick wurde von etwas abgelenkt, das ich hinter meinem Gegenüber entdeckte. Goldenglitzernde Linien verzweigten sich auf der Wand des Zugabteils zu regelmäßigen geometrischen Formen, bis wir vollkommen von orientalischen Ornamenten eingeschlossen waren. Ich folgte den Mustern mit den Augen und entdeckte in meinem Rücken die verschlossene Tür, die zuvor nicht dort gewesen war.

»Du willst mich doch etwa nicht schon verlassen, schöne Zade?«

Das Herz in meiner Brust pochte heftiger und zu der aufgeregten Erwartung mischte sich lähmende Furcht. Das alles hier war einfach unmöglich. Ich musste träumen, noch immer in meiner Studentenbude im Bett liegen und den Wecker verschlafen haben.

»Was für eine Geschichte möchtest du denn hören?«, fragte ich und stellte mich den tiefen Abgründen seiner Augen. Umrahmt von dichten langen Wimpern waren sie raubtierhaft und schön zugleich.

»Diese Entscheidung überlasse ich ganz den Frauen.« In einer beiläufigen Geste legte er eine warme Hand auf meinen Unterarm und strich darüber. »Bedenke aber, dass dir nur eine Nacht bleibt, um mich zu unterhalten … Scheherazade.«

Eiskalt rieselte es meinen Rücken hinab, als er mich bei diesem Namen nannte. Einem Namen, der mir wohlvertraut von meiner Lektüre der Orientalistik war. Denn es gab kaum eine Sage aus 1001 Nacht, die bekannter wäre als die der Prinzessin, die dem Sultan 1001 Nächte lang eine Geschichte erzählte, damit keine Frau mehr sterben musste für den Verrat einer anderen.

Doch so sehr ich mir auch unauffällig in den Arm kniff, aus einem Traum erwachte ich dadurch nicht. Durch das Fenster des Zuges erkannte ich die tiefdunkle Nacht. Verdeckt wurde die Sicht zum Teil von schweren, seidig-glänzenden Vorhängen, die das Zugabteil mehr wie ein Schlafzimmer wirken ließen.

»Mach es dir bequem, schöne Zade und lass dir nicht zu viel Zeit. Die Nacht hat ihren Höhepunkt beinahe erreicht.« Der junge Sultan lag mittlerweile mehr, als dass er saß, und deutete neben sich.

So sehr die Angst auch mein Innerstes zusammenschnürte, es zog mich auch zu diesem Mann, als sei es meine Bestimmung, ihm Folge zu leisten. Ich bette meinen Kopf an seiner Schulter und ließ zu, dass er über mein langes Haar strich, das mir bis an die Hüfte reichte, und spürte erneut ein sehnsuchtsvolles Ziehen.

Ich war keine Geschichtenerzählerin, doch ich hatte unzählige Märchen aus 1001 gelesen, die ich mittlerweile in- und auswendig kannte. Und so begann ich, sie ihm zu erzählen, genauso wie Scheherazade es getan hatte, mit dem Ziel, an der spannendsten Stelle zu enden, auf dass er mich in der folgenden Nacht erneut zu sich einladen musste, um zu erfahren, wie es weiterging.

Der Duft ätherischer Öle hüllte mich ein, benebelte meine Sinne, bis ich jäh hochschreckte. Dunkelheit umfing mich und der Geruch nach … ich sprang von der Klobrille auf und zerrte mir feuchtes Papier vom Turnschuh. Ich war wieder auf dieser ekligen Bahnhofstoilette gelandet.

Konnte es wirklich sein, dass ich hier eingeschlafen war? Bei den Mengen an Kaffee, die ich intus gehabt hatte … ich schnupperte an meinem Haar und hatte sofort den schönen, jungen Sultan vor Augen. Nein, dies war kein Traum gewesen. Und es würde bloß einen Tag dauern, bis ich ihn wiedersah. Denn dann würde er mich zu sich holen, damit ich ihm das Ende der Geschichte verriet.

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  • AutorenbildJanila Fuchs

Jeder Atemzug brannte. Meine Muskeln schrien nach einer Pause. Und doch zwang ich mich zu einem weiteren Schritt. Und noch einem.

Äste peitschten mir gegen die nackten Beine. Mein Kleid hing in Fetzen an mir herab. Das Kleid, für das ich ein Vermögen ausgegeben hatte, um ihn zu beeindrucken. Nur, damit er mich auf dieser bescheuerten Party einfach abserviert.

Ich stolperte über eine Wurzel und fiel der Länge nach hin. Die wenige Luft, die noch in meinen Lungen brannte, wurde mit einem Schlag aus mir herausgepresst. Tröstliche Stille legte sich für einen Moment über mich wie eine Decke, bis das Knacken von Ästen sie durchbrach.

Er war ganz nah.

Hier sollte es also enden. Mein junges Leben.


Ich erwartete, Bilder an mir vorbeiziehen zu sehen, doch da war nur dieses schmierige Grinsen von Josh, dem ich meinen nahenden Tod zu verdanken hatte. Ohne ihn wäre ich nicht in den Wald abgehauen, wahrscheinlich nicht mal bei der Party aufgekreuzt.

Noch ein Knacken. Näher diesmal.

Mein Gesicht war noch immer auf den Erdboden gepresst. Sollte ich mich umdrehen? Meinem Mörder in die Augen sehen, wenn er seine Axt erhob?

Alle hatten es für ein Märchen gehalten. Für einen Medien-Gag. Doch nun wusste ich es besser. Den Axt-Mörder von Gwinnith-Forrest gab es tatsächlich. Nur würde ich niemandem je davon erzählen können.

Mein Körper wog schwer wie Blei, dennoch strömte plötzlich ein Schwall Adrenalin durch meine Adern. Ich stemmte mich hoch. Noch war nichts verloren. Noch lebte ich.

Es war jedoch nicht der Axtmörder, der mich aus wenigen Metern Entfernung anstarrte. Nein, es war ein Tier. Ich trat ein paar Schritte auf den Fuchs zu, der nicht von der Stelle wich. Die Zeit schien die Luft anzuhalten, um die Magie des Augenblicks nicht zu stören. Der Blick aus den wachsamen Augen des Tieres war wie eine stumme Einladung.

Als ich den Fuchs erreichte, hörte ich ein dunkles, kehliges Lachen und Schritte. Gemächlich. Der Mann hatte es nicht eilig, mich zu finden. Er musste ahnen, dass ich keine Chance hatte, und schien die Jagd in vollen Zügen zu genießen. »Du kannst dich nicht vor mir verstecken«, verhöhnte er mich in beinahe sanftem Tonfall.

Auf allen vieren kroch ich in den hohlen Baumstamm, neben dem der Fuchs stand, seinen Blick noch immer auf mich geheftet. Dort eingerollt beobachtete ich, wie das Tier verschwand und mich meinem Schicksal überließ. Nur wenige meiner wilden Herzschläge später entdeckte ich ein paar schwerer Stiefel gleich vor meinem Versteck. Die trügerische Hoffnung löste sich auf in einem Dunst aus Todesangst. Es würde nicht lange dauern, bis er mich entdeckte.

Plötzlich durchschnitt ein Klageschrei die Stille des Waldes und Zweige knackten. Die Stiefel bewegten sich fort, in die Richtung, aus der die Geräusche gekommen waren.

Gierig sog ich Sauerstoff in die Lungen. Ich musste vergessen haben, zu atmen. Der Jäger war fort. Folgte einem Fuchs, den er für ein junges Mädchen, seine Beute hielt. Das Tier hatte mir wertvolle Zeit verschafft. Zeit, die ich nutzen würde, um aus diesem Wald herauszufinden.

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  • AutorenbildJanila Fuchs

Welches Bild schwebt dir vor Augen, wenn du an einen Drachen denkst? Sind es die gezackten, ledrigen Schwingen, die rauen, moosgrünen Schuppen oder vielleicht ein aufgerissenes Maul voll spitzer Reißzähne, aus dem die Funken sprühen und dichter Rauch quillt?

Nun ja, dann wirst du in dieser Geschichte womöglich eine dir fremde Art von Drachen kennenlernen.

Tief unten, unter dem Meeresspiegel, noch viel weiter als bis zu der Stelle, an welche der letzte Rest Sonnenlicht dringt, existiert eine Welt, die von wundersamen Geschöpfen bevölkert wird.

Ihre Haut ist mit glänzenden, jadeblauen Schuppen bedeckt. Der langgestreckte, lindwurmartige Körper ermöglicht ihnen eine pfeilschnelle Bewegung durchs Wasser. Statt glühender Flammen entweicht ihren Kehlen ein derart heißer Atem, dass er das umgebende Nass zum Kochen bringt.

So wie es auch gerade bei Kobalt geschieht, der mit seiner kräftigen Schwanzflosse so viel Distanz wie nur möglich zwischen sich und den Herrscher des Wasserdrachenvolkes zu bringen versucht.

Was ist so falsch daran, die Welt außerhalb unserer Grenzen kennenlernen zu wollen?

Kaum hatte der Drache den Gedanken zu Ende gedacht, schallte ihm sogleich die Antwort entgegen, die sich weder durch den Widerstand des Wassers noch durch die kochende Hitze aufhalten ließ: Es ist töricht, zu glauben, die dort beheimateten Wesen könnten uns verstehen!

Die dröhnende Stimme des namenlosen Herrschers wurde bereits schwächer, doch Kobalt musste die Distanz weiter vergrößern, um dem mentalen Zugriff seines Königs zu entfliehen. Sobald der Wasserdrache jedoch die Weltengrenze erreichte, fuhr ihm ein stechender Schmerz in den Schädel und er rollte seinen massigen Körper, wie um sich vor der Pein abzuschirmen. Dabei erlosch das Licht, das wie sonst aus seinem Inneren strahlte und die blauen Schuppen seiner Haut zum Schillern brachte.

In tiefste Dunkelheit gehüllt stellte sich Kobalt bloß die eine Frage.

Wie schaffe ich es bloß, endlich an die Oberfläche zu gelangen?


***



Der Wind des heraufziehenden Sturms peitschte der jungen Frau salziges Wasser ins Gesicht und verklebte die dunkelbraunen Strähnen, die ihr um den Kopf wehten. Sie war der Kapitän dieses Schiffes und damit war es ihre Aufgabe, es aus dem Auge des Sturms herausbefördern.

Wenn es bloß der Sturm wäre.

Als erfahrene Seefahrerin war sie raues Wetter gewohnt und wusste, wie sie das Schiff in Position bringen musste, um dem Wind zu trotzen. Doch da waren auch die Geysire, kochend heißes Wasser, das in unmittelbarer Nähe in die Höhe schoss und seine Umgebung sekundenschnell in wabernden Dampf verwandelte. Dies schränkte nicht nur die Sichtweite der Seeleute ein, sondern brachte sie auch in ernsthafte Gefahr.

»Das ist nicht möglich«, murmelte sie.


Das Meer reichte an dieser offenen Stelle mehrere Kilometer in die Tiefe, wie sollte es ein Geysir schaffen, in solche Höhen auszubrechen?

Dennoch waren sie ein Zeichen dafür, dass sie endlich am Ziel ihrer jahrelangen Suche angelangt war. Es waren Hinweise auf die Existenz jener Wesen, die als bloße Legenden galten.

In diesem Moment ging unmittelbar vor dem Heck des Schiffes eine weitere Fontäne in die Höhe und die Besatzung, die sich dort befand, ging stöhnend in die Knie.

Auch wenn sie kurz vor ihrem Ziel stand, durfte sie es nicht riskieren, ihre Mannschaft weiter als nötig in Gefahr zu bringen.


»Befreit die Schatten!«, brüllte die Frau der Besatzung entgegen.

Sofort eilten Männer und Frauen unter Deck, um die Tiger aus ihren speziellen Behausungen zu entlassen. Als Wesen aus Rauch konnte ihnen Hitze nichts anhaben, allein das Licht war ihr größter Feind. Und da die gewitterschweren Wolken den Himmel verdeckten, ohne nur den kleinsten Strahl Mondlicht hindurchzulassen, war dies der richtige Zeitpunkt, die Schatten zu ihrer Hilfe zu rufen.

Wie alle körperlosen Wesen gehorchten auch diese dem Meister, der sie beschworen hatte. Daher strömten sie durch die Ritzen der Holzplanken und nahmen unmittelbar vor ihr, dem Kapitän, die Gestalt an, die sie ihnen zugestanden hatten: majestätische Großkatzen, mit Pranken so groß wie der Kopf eines Mannes. Jedoch waren sie damit nicht in der Lage, Hiebe zu verteilen. Der Natur der Schattenwesen entsprach es, Energien jeglicher Form zu dämpfen, einzuhüllen und bei Bedarf sogar, sie zu ersticken.

»Haltet die Geysire auf!«, befahl sie den wabernden Gestalten und beobachtete, wie sie sich auf die Reling zubewegten und schließlich zur Wasseroberfläche glitten.

Die junge Frau folgte ihnen und starrte aufs Meer, mit dem sie Eins geworden waren.

Ich kann nur hoffen, dass sie dich finden.


***


Kobalt verharrte für viele Flossenschläge unmittelbar vor der Barriere, welche ihn von der ersehnten Freiheit trennte. Die mentale Energie des Drachenvolkes versetzte seine Schuppen in Vibration. Und dann spürte er plötzlich, wie sie stetig nachließ.

Wie kann das sein?

Der Drache traute dieser trügerischen Hoffnung nicht und doch konnte er sich nicht davon abhalten, mit seiner Schnauze voran zu tasten und die Grenze auf ihre Stabilität hin zu prüfen. Er war noch nicht weit gekommen, da strömten Schwaden auf ihn zu, die er mehr spürte, als sah. Sie durchschnitten die Energieströme der mentalen Barriere und schnürten auch Kobalts eigenen Kräfte zusammen, sodass ihm die Sinne zu schwinden begannen.

Doch der Drache war nicht bereit, aufzugeben. In seinem Inneren ballte er all die Hoffnung, all die unterdrückte Wut auf den Herrscher seines Volkes und vor allem die unbändige Neugier auf die Welt außerhalb zu einem dichten Ball zusammen.

Dann entlud er diese innere Kraft in einem gleißend hellen Lichtstrahl, der sich in jeder seiner Schuppen mehrfach reflektierte und die Schatten auf einen Schlag verbannte.

Diesen Moment nutzte Kobalt, um die noch immer schwache Grenze zu durchbrechen und mit seiner kräftigen Schwanzflosse den Meeresgrund hinter sich zu lassen.

Habe ich mein Ziel nun tatsächlich erreicht?

Je näher er der Wasseroberfläche kam, desto deutlicher wurden die Schemen, die sich dahinter abzeichneten. Bis er schließlich immer langsamer wurde und kurz vor zwei geweiteten Augen zum Stillstand kam, die von einem ungewohnt runden Gesicht eingerahmt waren. Sofort fing er einen Gedanken auf, der feinerer Natur war, als er es von seinem Drachenvolk gewohnt war. Dafür war er umso dringlicher.

Bitte. Er muss mir einfach helfen.

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